Alexander Kerlin

BULLET TIME
Die Geburt des Kinos aus dem Geiste eines Mörders
Auftragsarbeit für das Volkstheater Wien
4 D, 6 H
UA: 07.09.2024 · Volkstheater Wien · Regie: Kay Voges
"Muybridge war zu seiner Zeit ein weltberühmter Fotograf, er war ein maßgeblicher Wegbereiter des Kinos in Kalifornien – und er war ein Mörder aus Eifersucht, der vor Gericht freigesprochen wurde. Die zweifelhafte Begründung der Jury: Unzurechnungsfähigkeit aufgrund von Wahnsinn, der durch die Affäre des Journalisten Harry Larkyns mit seiner Ehefrau ausgelöst wurde. Flora war zwanzig Jahre jünger als Muybridge und eine frühe Feministin – man vermutet, dass sie Vorlesungen von Victoria Woodhull besuchte, die damals für die ökonomische und sexuelle Selbstbestimmtheit der Frauen eintrat.

Berühmter noch als Muybridges Name und der tödliche Schuss, den er abgefeuert hat, sind heute sicherlich seine Fotoserien von galoppierenden Pferden. Diese Serien sind in den späten 1870er Jahren in Palo Alto entstanden – ziemlich genau dort, wo heute das Silicon Valley liegt – und zwar als Auftragswerk für den berüchtigten Eisenbahn-Tycoon, Kapitalisten und Universitätsgründer Leland Stanford. Wenn man will, kann man diese Kooperation zwischen Stanford und Muybridge als eine Art Stunde Null Hollywoods und des Silicon Valley betrachten – als Stunde Null der zutiefst kalifornischen Komplizenschaft von disruptiver Technologie und Kapital." (Alexander Kerlin)

Dass die Anfänge der Bewegtfotografie und die genaue Betrachtung ihrer Protagonisten und ihrer Protagonistin nicht nur zu der berühmten Fotoserie galoppierender Pferde, sondern auch zu einem Mord führten, erzählt viel über die Besessenheit, für die Geist und Körper in ihrem Streben nach dem scheinbar Undenkbaren allzu anfällig sind.

In BULLET TIME vermischt sich die detaillierte Betrachtung eines spektakulär künstlerischen Durchbruchs mit der Banalität einer Eifersuchtstat zu einer faszinierend unterhaltsamen Erzählung über Leidenschaft, Vision, Ehrgeiz, Skrupellosigkeit, Genie und Wahnsinn.

"Alexander Kerlin hat mit dem Stück über den Photografen, genialen Erfinder und Mörder des Geliebten seiner Frau, Eadweard Muybridge, nicht weniger als einen „Faust“-Mythos der Neuzeit geschrieben.“ (taz)

"Bühnenspiel und Film. Beide stützen, verraten, unterlaufen einander dauernd, bis man begreift: Dieser Geschichte über den großen Bildermacher Muybridge ist in jeder Szene enthusiastisch zu misstrauen.“ (Die Zeit)

Journal

Alexander Kerlin

Im Zweifel für den Abschuss

17.09.2024
Eadweard Muybridge konnte Pferde im Galopp nur deshalb fotografieren, weil er für den Mord am Liebhaber seiner Frau Flora freigesprochen wurde. Alexander Kerlin hat diese fatale Verstrickung aus Kunst, Besessenheit und Wahnsinn in BULLET TIME festgehalten. Kay Voges inszenierte das Stück spektakulär als live-verfilmten Theaterwestern im Volkstheater Wien. Friederike Emmerling ... mehr

Alexander Kerlin

Showdown am Wiener Volkstheater: Kay Voges bringt Alexander Kerlins BULLET TIME zur Uraufführung

11.09.2024
Schützt Genialität vor Strafe? Ist das Schießen eines Fotos vergleichbar mit dem Abschuss einer Waffe? Im Falle des verschrobenen Fotografen Eadward Myubridge, der im ausgehenden 19. Jahrhundert die ersten Bewegtbilder schoss, definitiv. Er konnte seine spektakulären Fotografien nur erfinden, weil er für den Mord am Liebhaber seiner Frau Flora freigesprochen wurde. In einer aufregenden Mischung aus Gerichts- und Künstlerdrama beleuchtet Alexander Kerlin die ... mehr

Kritiken

Bullet Time

taz, Uwe Mattheis

„Im Feuerwerk des Neuanfangs an der Burg ist mit „Bullet Time“ von Alexander Kerlin ein brillanter wie unverhoffter Abend am Wiener Volkstheater ein wenig unter dem Radar der lokalen Kritik hindurchgeflogen. Alexander Kerlin hat mit dem Stück über den Photografen, genialen Erfinder und Mörder des Geliebten seiner Frau, Eadweard Muybridge, nicht weniger als einen „Faust“-Mythos der Neuzeit geschrieben.“ 

Die Zeit, Peter Kümmel

„Im Raum steht die These, dass der Film selbst Verbrecherwerk sei – er begehe nämlich Mord an der Zeit. Dass Kay Voges selbst ein Virtuose dieser latent verbrecherischen Kunst ist, wird schnell klar. In seiner Inszenierung greifen beide Darstellungsmöglichkeiten rauschhaft ineinander:  Bühnenspiel und Film. Beide stützen, verraten, unterlaufen einander dauernd, bis man begreift: Dieser Geschichte über den großen Bildermacher Muybridge ist in jeder Szene enthusiastisch zu misstrauen.“ 

Süddeutsche Zeitung, Christiane Lutz

„Es ist auch der fantastischen Anke Zillich zu verdanken, dass die Inszenierung zu einer fast feierlichen Hommage an die Fotokunst wird [...]. Ausgerechnet im Theater über die Kraft des festgehaltenen Bildes nachzudenken, ist charmant und ergibt in Voges Inszenierung erstaunlich viel Sinn.“ 

Kronen Zeitung, Stefan Musil

„Wenn das Volkstheater den Fotografen und seine Zeit auf die Bühne holt, dann in wunderbaren Settings. Denn man dreht hier einen ziemlich tollen Theaterwestern.“ 

Subtext, Lara Kastler

„Die Szenen wechseln atemlos zwischen der Bühne und einer riesigen Leinwand, auf der die Figuren lebendig werden. Oft fällt es Einem schwer sich zu entscheiden, wo genau man das Spiel nun verfolgen möchte, fest steht: man wills auf keinen Fall verpassen. Die Mischung aus historischen Kulissen, aufwendigen Kostümen und filmischen Effekten erschafft eine unglaubliche Atmosphäre.“