Anton Tschechow, Angela Schanelec

Iwanow
Neuübersetzung von Angela Schanelec
nach einer Interlinearversion von Elena Sinanina
UA: dieser Fassung 18.01.2020 · Schauspielhaus Bochum · Regie: Johan Simons
Iwanow kennt sich selbst nicht mehr. Nach dem Studium war er voller Tatkraft, wollte sich sozial engagieren, für Reformen eintreten, die Rückständigkeit der Provinz bekämpfen. Nun ist alle Energie verpufft, und er weiß nicht, warum und wohin. Vor fünf Jahren hat er Anna geheiratet, eine reiche Jüdin, die aus Liebe zu ihm alles aufgegeben hat, ihren Glauben, ihr Erbe, ihre Beziehung zu den Eltern. Anna ist an Tuberkulose erkrankt, aber Iwanow hat kein Geld für die Kur, ist verschuldet, und es fehlt ihm jegliche Kraft, etwas daran zu ändern. Um sich abzulenken, besucht er seinen alten Freund und Gläubiger Lebedew. Dessen Tochter Sascha ist jung, leidenschaftlich, freidenkend. Sie ist davon überzeugt, dass ihre Liebe zu Iwanow ihn wieder aufrichten wird. Raus aus der Enge!
Ein Jahr nach Annas Tod soll die Hochzeit stattfinden. Doch Gerüchte machen die Runde. Man glaubt, Iwanow habe seine Frau durch sein rücksichtsloses Verhalten ins Grab gebracht und heirate die reiche Sascha nur, um sein verschuldetes Gut wieder hochzubringen. Iwanow selber findet sich unerträglich, lachhaft. Er will alle Pläne abblasen. Doch als auch dieser Versuch scheitert, bleibt ihm nur noch eine letzte Möglichkeit, um nicht auch noch das Leben Saschas zu zerstören…

Iwanow ist das erste Stück des weltberühmten Dramatikers Anton Tschechow (1860 – 1904). Es fasziniert mit dem großen Thema, das auch alle seine späteren Werke bestimmt: das Leben der Menschen in seiner ganzen Absurdität, seiner Lächerlichkeit, Traurigkeit und Unwiderstehlichkeit. Der Mann Iwanow wird zum Symbol einer bis heute nachvollziehbaren Unlust, sein Leben in die Hand zu nehmen. Dass er dabei auf sein Umfeld gleichzeitig anziehend, ja erotisierend wirkt, macht Iwanow zu einer der spannendsten Figuren der klassischen Dramenliteratur. (Ankündigung des Schauspielhaus Bochum)

Kritiken

Iwanow

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Wenn man nur einen Abend hätte, um in diesem Jahr ins Theater zu gehen, dann müsste man nach Bochum fahren. Zum Iwanow, mit Jens Harzer.

Nachtkritik

Zum Schluss hin verdichtet sich die Inszenierung und wird zur Intensivstation mit Duoszenen und ergreifenden Soli, in denen Jens Harzer in das Unlösbare und Unerlöste der Existenz vordringt, die Nikolaj Aleksejewitch Iwanow für sich und uns darstellt. Ein Menschenleben vergehen zu sehen, braucht Zeit. Braucht Verausgabung, die keine Verschwendung ist.