Kathrin Röggla

worst case
Auftragsarbeit für das Theater Freiburg
UA: 11.10.2008 · Theater Freiburg · Regie: Leopold von Verschuer
„Nicht die Katastrophen selbst und deren direktes Erleben (oder Erleiden), sondern die medialen und politischen Katastrophenerzählungen, das unaufhörliche Gerede in Nachrichten und Talk-Shows, die sich dem Bewältigen oder Beschwören realer Katastrophen widmen, sind ihr Material. Diese Katastrophendiskurse wiederum setzt sie in Beziehung zum unermesslichen Fundus an Genrebildern, die die Kinoindustrie produziert. Diese Bilder und Szenen evozieren und überformen unsere Erwartungen und Ängste. Aus dem Amalgam der Klischees, die sie produzieren, verfertigen wir unsere Gedanken beim Reden über das, was uns droht. Sie bilden so etwas wie die Grundlage unserer Culture of Fear. Kathrin Röggla hat diese Filme angesehen, um so etwas wie die Grammatik
des Katastrophalen zu erarbeiten.
Ihr Stück handelt also nicht von einstürzenden Häusern, entgleisenden Zügen, Killerviren, Schlammlawinen und Tsunamis. Es folgt vielmehr der Entdeckung, dass das Spektakuläre „in die ritzen aller erzählungen eingedrungen“ ist, dass es die Schnitttechniken und Erzählformen bestimmt. Die Katastrophenerzählungen Hollywoods bilden die Matritze unserer Weltwahrnehmung. Folglich müssen
wir Zuschauer die Katastrophengrammatik lernen, weil sie, wie Röggla formuliert, „ die sprache ist, die über unsere köpfe hinweg gesprochen wird“. Dazu will sie uns in ihrem neuen Stück verführen und stellt sich selbst die Aufgabe, den Suggestionen der allgegenwärtigen Genreerzählungen mit einem Gegenzauber zu begegnen, der andere Unheimlichkeiten erzeugt als die in Science- Fiction-Filmen.

Kathrin Röggla formuliert ihr theatralisches Statement in vier Bildern, die alle nach einer Katastrophe spielen. Wobei schon die Frage, ob man soeben Zeuge einer Katastrophe gewesen sei, die auftretenden Personen massiv verunsichert. Ihr Denken und Sprechen hat seltsam indirekte Formen angenommen. Sie reden nicht nur im Konjunktiv. Ihre ganze Existenz scheint konjunktivisch
geworden.“ (Theater heute)
Übersetzt in: English