Hansjörg Betschart

Hansjörg Betschart , geboren 1955 in Basel. Studium an der PH Solothurn und an der nachmaligen ZHdK (MA Theater). Gründer und Leiter des Jungen Theaters Basel 1979-84. Als Regisseur längere Zeit in Schweden und anschließend in Mexiko, Österreich, Kirgistan, Deutschland und der Schweiz tätig. Dozent an der Kunstuniversität Graz und der ZHdK Zürich. Lebt als freischaffender Autor und
Übersetzer seit 1999 in Frankreich und Basel .

Hansjörg Betschart , geboren 1955 in Basel. Studium an der PH Solothurn und an der nachmaligen ZHdK (MA Theater). Gründer und Leiter des Jungen Theaters Basel 1979-84. Als Regisseur längere Zeit in Schweden und anschließend in Mexiko, Österreich, Kirgistan, Deutschland und der Schweiz tätig. Dozent an der Kunstuniversität Graz und der ZHdK Zürich. Lebt als freischaffender Autor und
Übersetzer seit 1999 in Frankreich und Basel .

UA Frei

Junges Theater

Hansjörg Betschart

Frankensteins Kind

1 D, 5 H, 2 K, Verwandlungsdek

In Genf hat der Wissenschaftler Frankenstein aus verschiedenen Leichenteilen einen menschlichen Körper zusammengesetzt. Er nutzt die elektrische Ladung eines Gewitters, um seine Kreatur zum Leben zu erwecken. Sofort erschrickt er vor der Hässlichkeit und der ungestümen Kraft des "Kindes" und sperrt es ein. Das KIND kann jedoch fliehen.
Als Frankenstein die Flucht des Kindes entdeckt, sucht er es und will es töten, weil er befürchtet, dass es Böses tun wird.
In seiner Sehnsucht nach menschlicher Nähe kommt das Kind an eine Hütte, in der ein alter blinder Mann Geige spielt. Der Mann lebt dort mit seinem Sohn, bald stößt auch noch Safie, eine junge Türkin, zu ihnen, deren Vater verfolgt wird, weil er kein Christ ist. Im Stall der Hütte versteckt, beobachtet das Kind das Leben der Bewohner ...
Betscharts Dramatisierung des klassischen Stoffes hält sich eng an Mary Shelleys Original, auch in seiner Hauptaussage: Das Kind, Frankensteins Schöpfung, wird (wie, nach Rousseau, alle Menschen) gut geboren, mit der Sehnsucht nach Liebe, Nähe, Schönheit. Erst durch die negativen Erfahrungen mit der Gesellschaft wird es böse, voller Hass und Rachsucht. Frankenstein und solche wie er sind die eigentlichen Monster.
Die gotische Schauergeschichte ist zugleich zeitlos und ganz aktuell. Das Ausgrenzen einzelner wegen ihres Andersseins und das vor allem im Bezug auf Menschen anderer Rasse und Nationalität, ist ein Aspekt, der durch die Figur der jungen Türkin Safie und die sie begleitende Nebenhandlung als Thema mitschwingt.




Theater

Henning Mankell

Der Bagger

Deutsch von Hansjörg Betschart
1 H

Der Baggerführer Rune sitzt in einem Pub und wartet auf seine Verabredung. Um das Warten zu überbrücken, plaudert er, erzählt von seinem Leben, von seinen Sorgen und von seinem Bagger. Verächtlich erhebt er sich über die einsamen Männer seines Alters und gibt fortwährend gutgemeinte Ratschläge. Einen gestandenen Eindruck macht er, solide und zuverlässig. Irgendwann einmal wäre er fast Fußballprofi geworden. Aber nur fast. 49 % eines Baggers kauft er nach der Hochzeit. Die ernähren ihn und seine Familie. Das Leben war leicht und bequem. Bis ihn Frau und Kinder verließen. Sextourismus in Thailand, Kontaktanzeigen. Er scheitert. Mit Glatze bist du nichts bei den Frauen. Und jetzt erwartet er ´ne heiße Lady. Scheinbar. Letztendlich kommt sie nicht. Wird sie nie kommen. "Die kommt nicht. Ich weiß nicht einmal ihren beschissenen Namen. Man braucht jemanden, auf den man warten kann. Auch wenn es nur ein Zeitungsausschnitt ist. Wie soll man sonst leben. (Er zückt einige Geldnoten und legt sie auf die Theke.) Stimmt so. Aber du solltest neu streichen. (Die Cellistin intoniert "Blueberry Hill". Das Licht verändert die Stimmung. Alles hält still. Rune F. Lindgren singt mit Inbrunst "Blueberry Hill.) Man braucht jemanden, auf den man warten kann. Sonst geht es nicht ... Echt nicht."

Bagger ist ein Monolog über Schein und Sein, über Hoffen und Scheitern, Wollen und Nichtkönnen. Über die Erkenntnis des eigenen Versagens und die Unfähigkeit es zu ändern. Rune ist einsam und traurig. Doch nach außen stark. Unbeugsam. Seine Großspurigkeit entschleiert den stillen Wunsch, einfach glücklich zu sein. Ohne Illusion.

Theater

August Strindberg

Der Vater

Deutsch von Hansjörg Betschart
3 D, 5 H, 1 Dek

Im Dezember 1886 legt Strindberg seinem Verleger Albert Bonnier seine Absicht dar, die Trilogie der Marodöre zu verfassen. Im ersten Teil dieses Triptychons sollte der elterliche Einfluss auf das Mädchen Bertha geschildert werden, welches zwischen den Machtansprüchen seines Vaters und seiner Mutter zerrieben wird. "Man schreit pretentiös nach Lebenslust und die Intendanten fordern Farcen, als ob Lebenslust darin bestünde Menschen lächerlich zu zeichnen, tanzkrank oder verblödet!", beklagt sich Strindberg in seinem Vorwort zu Fräulein Julie.
Dabei machte er sich bereits Sorgen, wie denn der Vater zu spielen sei: "Das ist das Moderne in meiner Tragödie, und wehe mir und der Knallcharge, wenn er die reine Schillersche Räuberbande 1887 spielt! Keine Schreie, keine Massenaufrufe. Zart, ruhig und resigniert sucht der starke Zeitgeist Ausdruck in dieser erotischen Passion... Nur vor der Frau ist er unmännlich, und auch nur deshalb, weil sie ihn so sieht, und die Gesetze der Anpassung zwingen uns, die Rolle zu spielen, die die Liebhaberin von uns fordert: Mal keusch, mal naiv, mal unwissend, alles, bloß um den Beischlaf zu ergattern."

Die vorliegende Übersetzung orientiert sich an der schwedischen Erstausgabe und an der von Strindberg besorgten, vom Original leicht abweichenden französischen Übertragung. Strindbergs Anweisung an Mathilde Prager in Wien, doch "bei der Übersetzung Rohheiten, besonders im ersten Akt abzumildern oder wegzulassen" wurde nicht berücksichtigt. Wohl aber der Rat, "den Regisseuren die Freiheit zu bieten zu streichen". (Hansjörg Betschart)

DSE Frei

Theater

Henning Mankell

Der Welpe

Deutsch von Hansjörg Betschart
3 D, 1 H

August Strindberg in seinen jungen Jahren, finanziell am Rande des Ruins und frustriert von ausbleibendem Erfolg, versucht sich als Statist am Theater. Umgeben von Frauen aller Couleur, rettet er sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Allerorts wird er für sein Schreiben angegriffen, man wehrt sich gegen seinen Realismus, gegen seine Alltagsbeobachtungen. Immerzu kritisiert er die vorherrschende Künstlich- und Belanglosigkeit. Am Theater lernt er Emma Andersson kennen, eine junge Näherin, die gleichfalls Schauspielambitionen in sich trägt. Fasziniert von ihrem Wesen lässt er sich durch ihre Lebensgeschichte inspirieren, die sich aber schnell als gelogen darstellt. Selbst die garstige Vermieterin seiner kärglichen Behausung verfällt seinem ruppigen Charme. Irgendwann bietet sie ihm gar, quasi geschieden, ihre Obhut an. Strindbergs Herz gehört in diesen Zeiten nur einer: Siri von Essen. Kurz vor ihrer Scheidung steht Strindbergs Geliebte schlimme Zweifel aus, ob der Autor die Schauspielerin tatsächlich zu der Berühmtheit bringen kann, die er verspricht. Zerrissen zwischen Ehrbarkeit und Lust tritt sie Strindberg misstrauisch gegenüber, da sie der von ihm versprochenen Freiheit noch nicht wirklich glauben kann.

Mit Der Welpe hat Henning Mankell ein Stück geschrieben, das sich mit dem Leben und Treiben des jungen Strindberg auseinandersetzt. Strindbergs Begegnungen mit den drei Damen beinhalten oftmals äußerst komische Sequenzen. Nichtsdestotrotz zeigt sich, in welcher Armut dieser große Dramatiker Jahre seines Lebens verbrachte, wie ein jeder in seiner Umgebung Quelle der Inspiration für ihn war und mit welch starkem Glauben an sich selbst er diese Kargheit durchgehalten hat.

DSE Frei

Theater

Henning Mankell

Ein Herbstabend vor der Stille

Deutsch von Hansjörg Betschart
5 D, 2 H, 1 Dek

1978. Ein einsames Haus auf den Klippen einer kleinen Insel in Schweden. Tone möchte das Haus ihrer Kindheit verkaufen. Zu diesem Zweck findet sich an diesem Nachmittag eine Gruppe potentieller Käufer zur Hausbesichtigung ein. Schnell wird klar, dass es sich um eine dubiose Mischung von Menschen handelt. Tom, ein Nachtclubbesitzer, vermag kaum eine Minute zu verbringen, ohne seine mitgebrachte Freundin Lisa in einem der zahllosen Zimmer zu begatten. Dazwischen putscht er sich mit Pillen auf. Rolf und Hanna, ein älteres Ehepaar um die sechzig, überprüfen das Haus als möglichen Wohnsitz für ihre Tochter Hanna, eine Künstlerin mit äußerst aggressiven Wesenszügen. Außerdem interessiert sich das ehemalige Topmodel Lena für dieses Haus, welches allerdings schon beim Hinweg dermaßen unglücklich über die Felsen stolperte, dass es sehr verspätet und heftig blutend eintrifft. Die Stimmung ist angespannt, die Menschen umlauern sich misstrauisch, sie sind sich fremd. Als Tone dann vom Fährmann die Nachricht erhält, dass aufgrund der schlechten Wetterlage an eine baldige Rückfahrt nicht zu denken ist, müssen sie notgedrungen eine Nacht miteinander in dem Haus verbringen.

Henning Mankell hat mit Ein Herbstabend vor der Stille ein höchst spannendes psychologisches Kammerspiel geschrieben. Die Abgeschlossenheit der sieben Figuren führt zu drastischen Auseinandersetzungen, die abweisende Atmosphäre des Hauses lässt die Nerven blank liegen. Nach und nach offenbaren sich die Abgründe der Einzelnen, die Situationen drohen immer mehr zu eskalieren. Kurz vor der Abfahrt im Morgengrauen spitzen sich die Dinge unerträglich zu und fordern in allerletzter Konsequenz einen Toten.

Theater

Lukas Moodysson

Ein Loch in meinem Herz

Deutsch von Hansjörg Betschart
1 D, 3 H

Rickard ist ein Loser. Durch und durch. Seine Frau ist tot, sein Sohnn hasst ihn. Tagsüber hängt er mit Kumpel Geko, einem ebenso großen Versager, in der Wohnung ab. Meistens wird gezockt, Blödsinn geredet oder man dreht Amateurpornos mit Tess. Tess ist 21 Jahre alt und träumt seit dem 12. Lebensjahr davon, Sexfilme zu drehen. Zu diesem Zweck hat sie sich eigens die Vagina verkleinern
lassen. Wenn nicht gerade gedreht wird, wird zur Euro-Dance- Mucke gefeiert, geblödelt oder gequatscht. Währenddessen sitzt Sohn Eric in seinem abgedunkeltem Zimmer und hört Noise Music, sinniert über die Welt oder widmet sich seiner Würmer-Zucht. Als Rickard und Geko eines Tages Tess beim Pornodreh mit Motorradhelm, Skimaske und Baseballschläger überraschen, wird das Trio vom zufälligerweise reinkommenden Eric gestört, was der völlig verängstigten Tess die Gelegenheit gibt, die Wohnung zu verlassen.
Doch schon am nächsten Tag kehrt sie – mit jeder Menge zu essen und zu trinken – zurück, denn die Welt da draußen ist einfach zu langweilig. Auch Eric kann Tess nicht mehr dazu bewegen zu gehen ...

A Hole in My Heart ist brutal, niederschmetternd und schonungslos offen. Die explizite Drastik, mit der Lukas Moodysson, Regisseur von Kinoerfolgen wie Raus aus Amal und Together!, die Geschichte dieser Menschen erzählt, schockiert mit nie gesehenen Bildern der Verzweiflung und sorgte bei Veröffentlichung für handfeste Skandale. Dennoch ist A Hole in My Heart, fernab jeder Provokation, zuallererst ein Film über die Liebe und die ewige Suche danach.

August Strindberg

Grillen

Deutsch von Hansjörg Betschart
8 D, 4 H, Verwandlungsdek

1886 schickte Strindberg einen Zeitungsartikel nach Schweden, worin eine Skizze der Marodöre enthalten war:
"Eine Künstlerin, Malerin, lebt in Ehevertrag mit einem Künstler, Maler. Sie malt und verkauft weiterhin. Der Mann muss für ihren Unterhalt und eine Haushälterin, die die Arbeiten im Hause erledigt, aufkommen. Ein Kind kommt zur Welt. Die Frau malt weiter, denn sie kann es sich leisten, wenn der Mann ihr Kind und ihr Kindermädchen versorgt. Aber jetzt muss der Mann sein Einkommen vervierfachen. Seine Kunst kommt zu kurz, und er ´verkommt´ zu einem Zeichner, während die Frau als Malerin Karriere macht."
Strindberg ließ den Stoff nach heftiger Gegenwehr seines Verlegers von seinem Freund Lundegård einstreichen und entschärfen. Kameraden, die gekürzte und entschärfte Fassung von Marodöre, wurde schließlich 1905 in Wien uraufgeführt und zählte zu den erfolgreichsten Stücken Strindbergs in dieser Zeit.

Grundlage der Neuübersetzung von Hansjörg Betschart ist das als gedrucktes Manuskript erhaltene Marodörer. Das Manuskript enthält sowohl die handschriftlichen Korrekturen Strindbergs (die zu Kameraden führte), als auch Striche und Entschärfungen Lundegårds.

Grillen nannte Strindberg das Stück vermutlich zu dem Zeitpunkt, als er sämtliches Material niedergeschrieben hatte. In dieser Übersetzung der Marodöre sind zum ersten Mal Passagen deutsch zugänglich, die in den späteren Kameraden nicht mehr zu finden waren. Da die Übersetzung auch die Erweiterungen der späteren Kameraden-Fassung mit einbezieht, liegt hier zum ersten Mal das gesamte Material Strindbergs zu diesem Stoff - der Herkunft entsprechend gekennzeichnet - in einem Text vor. (Hansjörg Betschart)

Theater

Henning Mankell

Lampedusa

Deutsch von Hansjörg Betschart
2 D, 1 H

Anna, junge Fernsehmoderatorin einer Talk-Show, hat die fünfunddreißigjährige Titania zu Gast. Kurz vor der Live-Sendung sprechen sie noch einmal durch, was Thema sein soll. Titania ist eine aus Sambia gebürtige Muslimin. Obwohl sie erst fünf Jahre alt war, als die Familie zunächst nach London und dann nach Schweden zog, weiß sie zu berichten, wie ihre Familie in Sambia die schwarzen Angestellten ausgebeutet und schlecht behandelt hat. Der Beweggrund für die Flucht von dort war die Angst, die entstand, als Idi Amin im benachbarten Uganda begann, die nicht-schwarze Bevölkerung zu verfolgen.

Wie schon diese Geschichte der Familie die Grenze zwischen Opfern und Tätern schwer ausmachen lässt, erweist sich Titania insgesamt als schwierige Kandidatin für Anna, die hofft, durch die Schilderung der Unterdrückung muslimischer Frauen Quote zu machen.

Aber Titania ist selbstbewusst und gebildet. Sie hat als Wissenschaftlerin eine gute Arbeit und ein Einkommen, das ihr den Kauf einer Eigentumswohnung ermöglichte. Sie ist westlich gekleidet und äußerlich integriert. Gleichzeitig hält sie aber fest an ihrer Religion, auf ihre Weise. "Ja. Ich bete. Fünfmal pro Tag. Ich befolge alle Rituale. Selbst wenn ich spät ins Bett gehe, stehe ich punkt fünf Uhr in der Früh auf, wasche mich und bete. Aber ich gehe in keine Moschee. Ich bete zu Hause."
Titania ihrerseits hat einen anderen Beweggrund, sich in Annas Sendung zu präsentieren. Sie liebt eine Frau, die auch Muslimin ist; bislang führen sie ihre Beziehung in großer Heimlichkeit, aber Titania will sie öffentlich machen. Ihre Angst ist groß, sie weiß, dass sie riskiert, angefeindet, ja mit dem Tod bedroht zu werden ...

UA Frei

Theater

Henning Mankell

Tage und Nächte in Chartres

Deutsch von Hansjörg Betschart
3 D, 4 H

Dieses Stück bezieht seine Inspiration aus dem Schnappschuss einer jungen Frau mit kahlgeschorenem Kopf, den Robert Capa für die Magnum Group im Frühjahr 1945, unmittelbar nach dem Ende der deutschen Okkupation, machte.
Es ist nicht der dokumentarische Inhalt des Bildes als Tatsachen-Hintergrund dient. Im Gegenteil: Ohne Zweifel hatte
Claudine, die junge Frau, die Robert Capa fotografierte, während der deutschen Okkupation mit Verfehlungen ihr Gewissen belastet. Die Hauptperson meines Stückes ist jemand anderer, ein Individuum, das auch zu dieser Zeit lebte: Claudine ist ein Mädchen, das sich ohne Arg eine Verliebtheit mit einem deutschen Soldaten gestattete. Ich gebe mit meiner Geschichte Robert Capas Bild einen anderen Gehalt, man könnte sogar sagen, ich montiere ein Bild, das er nie fotografiert hatte, obwohl er es sehr wohl hätte tun können. Das Stück ist, so gesehen, reine Fiktion, wenn ihm auch eine Reihe von Fakten zugrunde liegen. Ich schreibe nicht über die Geschehnisse, sondern über ihre Möglichkeiten. Das Stück handelt möglicherweise von einer Claudine, oder von mir, oder all jenen Menschen, die sich die Zeit nehmen, über jene Frauen nachzudenken, die mit dem Feind fraternisieren, und sich mit kahlgeschorenem Kopf, auf der Straße nach Golgatha wiederfinden. Kurz, das Stück handelt von einer grausamen Welt, dem entsetzlichen Zeitalter, in dem wir leben.
(Henning Mankell)

Theater

August Strindberg

Todestanz

Deutsch von Hansjörg Betschart
2 D, 4 H, 1 Dek

Wer tanzt? Strindbergs Vorbild aus dem Leben erhellt den Titel: Sein kranker Schwager Hugo Philp stellte sich gegen Strindberg auf Siri von Essens Seite und warf ihm vor, seine Kinder im Stich gelassen zu haben! Annas und Hugos Tochter, Marta, bezeugte Jahre später die Begeisterung ihres Vaters für Halvorsens Marsch, den "Einzug der Bojaren". Strindbergs Schwester begleitete Hugo auf der Geige: Hugo tanzte, Hugo kollabierte, wie später Edgar im Stück, und August Strindberg war Zeuge des Tanzes. Er notierte: "Todestanz im Bad Salzsee."
Wer tanzt? 1900 feierten Anna und Hugo Silberhochzeit, wenige Tage, bevor Strindberg sein Stück beendete. Die Silberhochzeit besuchte er nicht. Hugo nannte er in einem Brief an Torsten Hedlund: "Ein Mann, der die Rätsel des gesamten Universums bereits gelöst hat - mit links!"
1900. "Letzter Oktobertag: Todestanz beendet!" Aus dem Leuchtturm ist ein ehemaliges Gefängnis geworden. Aus dem Lotsen ein ehemaliger Artilleriehauptmann. Aus Hugo Edgar. Aus Ann Alice. Nebenfiguren sind verschwunden. Der Vampir Edgar ist gefunden. Als Strindberg den zweiten Teil schreibt, hat er den Vampir bereits definiert: "Nun, da sein Leben entweicht, klammert er sich an anderen Menschen fest, lebt deren Leben, nistet sich in ihren Seelen ein."
Wer tanzt? "Nennt das Stück, wie ihr wollt, aber streicht nichts! Es braucht die Wirkung eines Romans und dessen Gründlichkeit! Zum Schluss bleibt nur die Verkündigung der großen Resignation. Ohne sie ist jegliches Leben unmöglich! Entfernt nicht mein Ureigenstes! Es wäre das Ende meiner Tage!" schreibt er 1902 an Reinhardt. Und eine Woche später legt er einer eigenhändig stark gekürzten Fassung die Worte bei: "So ist es am besten! Beide Teile an einem Abend!" Bis zu Reinhardts bahnbrechender Inszenierung 1912 gehen allerdings noch einige Jahre ins Land.
(Hansjörg Betschart)

Theater

Lukas Moodysson

Zusammen

Deutsch von Hansjörg Betschart
8 D, 12 H, St (Doppelbesetzungen möglich)

„Elisabeth haut ab: Sie packt ihre Sachen, nimmt die Kinder Stefan und Eva und verlässt ihren Mann, der sie schon wieder im Suff verprügelt hat. Sie fährt zu ihrem Bruder Göran. Wir schreiben das Jahr 1975, und Göran lebt in der Kommune ,Together’, in der sich ein Dutzend junge Leute zusammengetan haben, um ihren Traum von Freiheit und gesellschaftlichen Alternativen zu verwirklichen. Sie leben in einer Villa ihren Traum von der freien Liebe und einer sozialen Gemeinschaft unabhängig von der Familie. Für Elisabeth, Stefan und Eva beginnt ein komplett neues Leben. Doch während Elisabeth die menschliche Wärme und die neuen Freiheiten des Kommunenlebens aufblühen lässt, leiden die Kinder unter der Trennung ihrer Eltern. Zugleich sind sie über das neue Umfeld verwirrt: Wie kann es sein, dass sich alle lieben – was ist das für ein Konstrukt? Was ist das für eine Frau, die immer mit Mama Engtanz macht? Wieso sind alle so gern nackt? Together! ist eine Zeitreise in eine vergangene Utopie und stellt zugleich die Frage, wie heute und in Zukunft ein Zusammenleben jenseits der Familie aussehen kann. Sollen wir Clans gründen, um ein soziales Umfeld in Zeiten der ,flexiblen Menschen’ zu garantieren? Wie kann eine Alternative zu ,Big Brother’ aussehen, einer Serie, in der der ursprüngliche WG-Gedanke der 70er vollkommen pervertiert wird?“ (Ankündigung des Theaters Freiburg)

Aufführungsarchiv

Digitales Textbuch