Theater

Katja Brunner

die hölle ist auch nur eine sauna

Gott hat einfach keine Lust zu nähen. Sonst hätte er denen schon längst was übergezogen, diesen NUDISTEN.

Wann beginnt Leben und wozu? Der Text von Katja Brunner nimmt uns mit auf eine Höllenfahrt in die Gebärmutter als „grausigem Ort“, an dem der Schrecken und die Lust des Lebens ihren Anfang nehmen, steigt hinab ins Kellerverlies von der da unten (Ähnlichkeiten mit überlebenden Personen sind naheliegend) und überschreibt gegen jede herrschende Interpretationslogik andere überlieferte Opfergänge des weiblichen Geschlechts. Die zur Sprachlosigkeit Verdammten, allen voran Hermi, ein zerbeulter Hermaphrodit, bekommen mit der Sprache, im Sprechen, dem Erheben der Stimme ihre Existenzberechtigung zurück. Es ist eine OP am offenen Herzen einer Gesellschaft, deren strukturelle Macht, deren brutales Diktat der Normierung perverse Auswüchse in Kauf nimmt, andere versteckt, wegsperrt, unsichtbar werden lässt. Das sprachgewaltige Textkonvolut ist jedoch keine verbiesterte Anklage, sondern ein frivol-ironisches Kampftraining, subversive Gedankengymnastik für die Unbetrauerbaren, Nicht-Existenten unter uns. Auf der Strecke bleibt der „Universaldörfler“.

frei zu besetzen

UA: 8.10.2014 · Theater Rampe, Stuttgart · Regie: Marie Bues

Übersetzt in Czech, Finnish, Italian, Swedish

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Theater
Katja Brunner

geister sind auch nur menschen

Die Heime, der ihrer Heimat beraubten Alten, Kranken und Unberührten sind Schauplatz im neuen Text von Katja Brunner. Es ist, so die Autorin im Vorwort, ein SPRECHEN OHNE ZUKUNFT und daher "freier als manch anderes Sprechen". Dieses Sprechen nimmt nicht Platz vor der Bettkante, sondern wühlt sich hinein in die mit Exkrementen und Wundschorf, Schläuchen und Kathetern verzierten Bettstätten der zum Liegen Verdammten. Abgeschirmt von einer Welt, der sie sich tatkräftig hingaben, betrachten sie verwundert die Scherben ihres gutbürgerlichen Lebens: Erlebtes steht neben unwiederbringlich Verpasstem, Träume mutieren zu Albträumen. Der durch einen Schlaganfall versehrte Körper wird von seiner Bewohnerin als vergessener Handschuh empfunden, einem anderen wird wegen sexueller Übergriffigkeit am weiblichen Pflegepersonal der Rauswurf angedroht. Von Berührungen durch Pflegerhand zugefügte Hämatome werden im allseitigen Einvernehmen als "Zeichen der Zuneigung" befunden. Kein Blatt mehr nehmen die Alten vor die ausgetrockneten Münder. Schwall um Schwall bricht es ungehört aus ihnen heraus. Am Ende gewinnt der Krebs die Oberhand. Gebannt lauschen sie dem inwendigen Wachsen des Tumors, bis ihre Kiefer runterklappen.

geister sind auch nur menschen ist ein Text für und von den Todgeweihten, die rundumversorgt im Heim ihre auf kapitalistische Betriebsamkeit getrimmten Nachkommen nicht behindern sollen; es ist ein pralles Drama, das die Sterbenden in die Mitte einer Gesellschaft, die sie professionell ausgrenzt, zurückholt.

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