Zwei Frauen lernen sich durch Zufall kennen. Sie sind sehr unterschiedlich. Vielleicht mögen sie sich gerade deshalb. Vielleicht sind sie aber auch einfach einsam. Zwischen den beiden entspinnt sich eine vorsichtige Freundschaft. Theta züchtet Tauben und nimmt Erike mit in ihren Schrebergarten. Für Erike ist es, als ob sich eine neue Welt öffnet. Die Freundschaft zu der älteren Theta fordert sie heraus und macht sie glücklich. Doch alles ist endlich. Was bleibt, sind Kulturfolger: Tauben und Ratten und Fliegen und Marder. Auch von ihnen handelt dieses Stück, in dem Caren Jeß die Faszination ihrer widerlichen Schönheit feiert. Lyrik, Lyrics, Punk, Prosa und Dramatik gebärden sich wild, während die Begegnung dieser beiden sonderbaren Frauen so berührend beschrieben wird, dass das Herz vor Glück immer wieder ins Stocken kommt.
Was bleibt uns noch, wenn die Kultur abhanden kommt? Selbst diese dystopische Frage weiß Caren Jeß in suchtgefährdenden Genuss zu verwandeln. Sei es mit den Songs der Punkband The Toothbrushes, nebentextlicher Tiefgründigkeit oder obszön schönen Gedichten. Und eines wird klar: Solange all das mit solch lustvollem Übermut gelingt, kann die Kultur gar nicht abhanden kommen.
Caren Jeß
Dem Marder die Taube
Entstanden im Rahmen des Berliner Ensemble-Dramatiker:innen-Fonds, unterstützt durch die Heinz und Heide Dürr Stiftung
2 D, 1 Punkband, 1 Hund
UA: 30.4.2023 · Deutsches Theater Berlin · Regie: Stephan Kimmig
Übersetzt in: Turkish
Dem Marder die Taube
nachtkritik.de
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Jeß’ Vermögen liegt in der abseitig erscheinenden Verbindung von Großem und Kleinem, Bedeutsamem und Nebensächlichem, die sich zu Momenten existenziellen Befindens in einer unsortierten, prallvollen, überfordernden Welt verdichtet. Das macht nicht immer Spaß zu hören, aber es ist ein eigener, markanter Sound mit einem ganz eigenen Weltzugang.